Kinder, Karriere und eine Schwäche für Latte Macchiato.

Trendanalyse: Work Life Balance - Nicht nur für berufstätige Mütter (Foto: Richard Thomas)

Leistungspolitik und Work-Life-Balance

Die Frage nach einem „guten“ Verhältnis von Arbeit und Privatleben ist oft noch eine vor allem an erwerbstätige Mütter gerichtete Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Lösung scheint in diesem Fall klar: Notwendig sind Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse und Arbeitszeiten, die flexibel an individuelle bzw. familiäre Bedürfnisse angepasst werden können.

Heute sind flexible Arbeitszeitmodelle Standard, gibt es ein gesetzliches Recht auf Teilzeit und kaum noch ein Unternehmen, das sich nicht rühmen würde, etwas für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu tun. Und doch hat die Frage nach dem „guten“ Verhältnis von Arbeit und Leben nicht an Bedeutung verloren.

Trendanalyse: Work Life Balance - Nicht nur für berufstätige Mütter (Foto: Richard Thomas)

Die Popularität des Themas Work-Life-Balance zeigt nicht nur, dass ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeit und Privatleben ein gesellschaftlich hochbewertetes Ziel ist. Sie zeigt auch, dass es mit der Work-Life- Balance offenbar nicht zum Besten steht – und das eben trotz aller Fortschritte, trotz Möglichkeit zur Teilzeitarbeit, trotz flexibler Arbeitszeiten, trotz weitergehender Selbstbestimmung über die Arbeitszeit.

Wie ist es um die viel zitierte Work-Life-Balance tatsächlich bestellt?

Die Experten des Projektes Lanceo haben sich auf die Suche gemacht. Sie wollten wissen, wie es um die Work-Life-Balance von Beschäftigten bestellt ist und wie Unternehmen mit dem Thema Work-Life-Balance umgehen.  Die Ergebnisse haben sie in der Trendanalyse „Leistungspolitik und Work-Life-Balance“ festgehalten. Die wichtigsten Ergebnisse sind:

  1. Arbeit und Leben stellen eine wechselseitige Bereicherung dar. Daraus ergeben sich aber auch Konflikte – die vor allem mit der Arbeit zusammenhängen.
  2. Work-Life-Balance ist nicht mehr „nur“ ein Problem erwerbstätiger Frauen, sondern aller Beschäftigten
  3. Steigender Leistungsdruck bei knappen Personalressourcen: Work-Life-Balance wird zum betrieblichen Problem – flexible Arbeitszeiten alleine sind nicht die Lösung.
  4. Maßnahmen zur Verbesserung der Work-Life-Balance sind vor allem etwas für Privilegierte. Die Angebote richten sich vor allem an gesuchte Arbeitskräfte, weniger an schon im Unternehmen Beschäftigte.
  5. Leistungspolitik mit leistungsorientierter Vergütung? Überall ist Bewegung zu spüren, aber es gibt kaum klare Trends.
  6. Work-Life-Balance in Unternehmen ist entweder ein ganz spezifisches Gestaltungsthema, z.B. ein Betriebskindergarten oder ein diffuser Oberbegriff. Was fehlt, ist ein integrativer Ansatz.

Die Ergebnisse der Trendanalyse lassen nur den einen Schluss zu: Die Frage nach der„Work-Life-Balance“ ist mehr als die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Doch Unternehmen tun sich bei der Frage „Was ist zu tun?“ oft schwer.

Die Diskussion zur Verbesserung der Work-Life-Balance steckt in einem Dilemma.

Die Umsetzungschancen von Maßnahmen in Unternehmen sind umso größer, je enger das Thema auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fokussiert wird. Dann gibt es relativ klare institutionelle Zuständigkeiten (zuweilen sogar explizite „Work-Life-Balance-Beauftragte“) und sind konkrete Maßnahmen denkbar. Allerdings gilt „Work-Life-Balance“ dann teilweise als „langweiliges“ und nur für Teilgruppen relevantes Thema, als Gestaltungsfeld, das viele aktuell in den Unternehmen diskutierten Fragen (Zeitdruck, psychische Belastungen, ständige Erreichbar- keit, mobile Arbeit etc.) nur am Rande streift.

Breiter gefasst wird „Work-Life-Balance“ zu einem potentiell integrativen Ansatz, der genau die komplexen Wechselwirkungen zwischen betrieblichen Leistungsanforderungen und individueller Leistungsfähigkeit, zwischen der ganzen Arbeits- und der ganzen Lebenswelt zum Thema hat. Dann aber gibt es keine institutionell Zuständigen mehr, keine integrierten Gestaltungsansätze und noch nicht einmal einen Namen für das Ganze, weil „Work-Life- Balance“ vor allem mit Betriebskindergärten und familienfreundlichen Arbeitszeiten assoziiert wird.

Meines Erachtens sind aber Betriebe, die das Dilemma rund um Work-Life-Balance-Maßnahmen erkannt haben, zumindest schon ein wesentliches Stück weiter als diejenigen, die eine fehlende Balance zwischen Arbeits- und Privatleben vor allem als ein Problem der Beschäftigten ansehen.

Was ist das Projekt Lanceo?

„Lanceo“ ist die Kurzbezeichnung für das Projekt „Balanceorientierte Leistungspolitik – Ansätze zur leistungspolitischen Gestaltung der Work-Life-Balance“. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Bekanntmachung „Balance von Flexibilität und Stabilität in einer sich wandelnden Arbeitswelt“ gefördert (Projektträger DLR).

Lanceo untersucht gemeinsam mit Praxispartnern die Bedingungen für eine erfolgreiche Gestaltung einer „balanceorientierten Leistungspolitik“ in privatwirtschaftlichen Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Dienstes.

Vier wissenschaftliche Partner (ISF München, Uni Freiburg, Uni Oldenburg, Cogito / IfA) arbeiten mit Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Dienstes zusammen. Die Koordination liegt beim ISF München. (Projektlaufzeit: August 2009 bis April 2013.)

Die Trendanalyse „Leistungspolitik und Work-Life-Balance“ kostenlos zum Download

Kratzer, Nick; Nies, Sarah; Pangert, Barbara; Vogl, Gerlinde (2011): Leistungspolitik und Work-Life-Balance – Eine Trendanalyse des Projekts Lanceo. Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e. V. – ISF München, München, 2011

Inhaberin von NetWorkingMom.de. Als bekennende Latte-Macchiato-Mama trägt sie nicht nur interessante Netzfundstücke zusammen, sondern plaudert in der Kaffeeküche recht scharfzüngig über die Merkwürdigkeiten, die einem als berufstätige Mutter so begegnen. Mehr Lifestyle und Kinderkram gibt's im Zweitblog www.BerlinFreckles.de

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