Kinder, Karriere und eine Schwäche für Latte Macchiato.

Jessica Peterka-Bonetta von www.cape-balance.com

5 Fragen an… Jessica Peterka-Bonetta von www.cape-balance.com

 

1. In Ihrem Kommentar zu meinem Artikel „Wiedereinstieg: Fangfragen für Mütter beim Bewerbungsgespräch“ beim VBM schrieben Sie, dass auch Mütter in Bewerbungsgesprächen Fragen zur Familienfreundlichkeit des Unternehmens stellen sollten und Unternehmen solche Fragen positiv werten und ihnen gegenüber offen sein, ja sie sogar begrüßen sollten. Warum lohnt es sich aus Ihrer Sicht für beide Seiten, solche Dinge ganz klar anzusprechen?

Je klarer die Verhältnisse bereits im ersten Gespräch besprochen werden, desto besser ist die Basis für eine möglichst lange und erfolgreiche Zusammenarbeit. Das ist im Interesse beider Parteien. Frauen, die im Bewerbungsgespräch die Familienfreundlichkeit des Unternehmens ausloten geben ihren Erwartungen von vorne herein Ausdruck. So wissen beide Seiten, wo sie dran sind. Es gibt im Nachhinein weniger Enttäuschte, weil es auch weniger unausgesprochene Erwartungen gibt und vor allem erhöht ein solches Vorgehen schlicht die Wahrscheinlichkeit, eine wirklich passende Stelle zu finden – und darum geht es doch eigentlich, oder?

Was nützt die inhaltlich scheinbar schönste Stelle, wenn die Rahmenbedingungen nicht wirklich zur eigenen Situation passen? Solches wechselseitiges Versteckspiel ist wirklich Personal- und Karriereentwicklung von gestern. Frauen signalisieren mit einer selbstbewussten, offenen Art, dass ihnen – unter anderem – Familienfreundlichkeit wichtig ist. So kann das Unternehmen dann auch entsprechend darauf reagieren. Es ist aus meiner Sicht vorteilhaft, die eigenen Erwartungen auszusprechen. Man sollte allerdings darauf achten, wie man das tut. Hier macht mal wieder der Ton die Musik.

 

2. Aus Ihrer Beratungstätigkeit beim betrieblichem Gesundheitsmanagement kennen Sie auch positive Beispiele zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wie zum Beispiel ein „Mit-Kind- Büro“. Sind das aus Ihrer Sicht positive aber noch zu seltene Beispiele oder hat das Umdenken in Unternehmen schon begonnen?

Das „Mit-Kind-Büro“ ist in der Tat ein gutes Beispiel, vorausgesetzt die Kultur im Unternehmen ist förderlich für die Benutzung eines solchen Büros und es gibt einen real existierenden Bedarf. Ansonsten kann die Einführung eines Mit-Kind-Büros zu einem weiteren derjenigen, berühmten „Projekte“ mutieren, die mehr aktionistischen „Gimmick-Charakter“ als ernsthafte Absicht des betrieblichen Gesundheitsmanagements tragen. Statt Aktionismus und daraus resultierenden „Vorzeigeprojekten“ brauchen wir flächendeckend bessere Standards. Da ist weiterhin in den Unternehmen enormer Nachholbedarf. Man kann sagen, die Entwicklung ernsthaften, also systematischen Gesundheitsmanagements durchaus auch mit einem Blick auf die Kostenvorteile für die Unternehmen, hat gerade erst angefangen. Folgendes gilt für alle mir bekannten Maßnahmen: Entscheidend ist, ob der Bedarf, der diskutiert wird, auch tatsächlich existiert.
Ausserdem muss zum Beispiel im Fall des Mit-Kind-Büros auch erwogen werden, ob es für den Mitarbeiter und sein Unternehmen nicht sinnvoller wäre, wenn er zu Hause in gewohnter Umgebung das kranke Kind versorgen und parallel arbeiten könnte, statt es mit in den Betrieb zu nehmen. Letzteres ist sicherlich eine Einzelfallentscheidung, denn manche Eltern sind grundsätzlich froh darüber, diese Möglichkeit zu haben. Es nimmt ihnen den Druck und, ist die Kultur im Unternehmen dazu vorhanden, signalisiert es dem Mitarbeiter: „Hier sind Angestellte mit Kindern willkommen“.

Aber zurück zu Ihrer Frage: Mein Eindruck mag sicherlich etwas voreingenommen sein, schließlich habe ich in meiner Beratungspraxis hauptsächlich mit Unternehmen zu tun, die den Handlungsbedarf ja bereits erkannt haben. Sie sind bereit und in der Lage mittels gemeinsam entwickelter und ausgesuchter Maßnahmen das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf anzugehen. Ich würde sagen, dass es wahrhaftig noch viel zu tun gibt, damit Frauen in Deutschland als qualifizierte Arbeitskräfte trotz Familiengründung auf dem Arbeitsmarkt bleiben können. Ich bin überzeugte Optimistin, für mich ist das Glas immer halb voll und deshalb hat für mich das Umdenken in Unternehmen bereits in tiefgreifendem Umfang begonnen.

 

3. Die „Work-Life-Balance“ ist in aller Munde. Doch gerade berufstätigen Müttern fällt es schwer, diese Balance zu finden. Liegt das vor allem an den Rahmenbedingungen oder können Mütter selbst auch schon viel tun, um ihre Balance zwischen Arbeit und Privatleben zu finden?

Der Begriff Work-Life-Balance impliziert so, wie er manchmal öffentlich thematisiert wird, dass Arbeit an sich ein wahnsinnig erschöpfender und energie-raubender Akt sei und dieser mühsam durch die erholsame aber zu spärlich besäte Freizeit aufgewogen werden müsse. Dieses Bild trifft allerdings nur eingeschränkt zu. Je erfüllender und passender die Arbeitsstelle erlebt wird, desto mehr Kraft gibt sie einer berufstätigen Mutter und desto weniger zieht sie die Waagschale des Lebens nach unten. Und umgekehrt: So manche Freizeitaktivitäten sind alles andere als erholsam. Die Einkäufe tätigen z.B. fällt meist in die private Zeit, aber ist es deswegen erholsam? Wohl kaum. Vom Fitnessstudio zum Treffen mit der besten Freundin, dazwischen noch schnell die Kinder von A nach B fahren, das ist alles andere als Entspannung. Es lohnt sich, unabhängig von den Kategorien „Arbeit“ und „Freizeit“ ein Empfinden dafür zu entwickeln, was Energie kostet und womit die Batterien wieder aufgeladen werden können. Als berufstätige Mutter, die ihrem Traumjob nachgeht kann ich ganz klar sagen: Wenn ich meinen Kleinen in der Kita abgegeben habe, ins Büro fahre und bei einem leckeren Oolong-Tee meine Emails beantworte, dann hat das für mich etwas definitiv Erholsames.

Zu der Frage, ob die richtige Balance eher in einem selbst oder in den richtigen Rahmenbedingungen zu finden sind: sowohl als auch! Wer eine ausgewogenere Work-Life-Balance sucht, der kann sowohl an den Rahmenbedingungen, als auch an sich selbst ansetzen. Wichtig ist, die Stellschrauben mit Hebelwirkung zu identifizieren, also diejenigen Maßnahmen, die mit möglichst geringem Aufwand eine möglichst große Wirkung auf die Work-Life-Balance haben. Berufstätige Mütter stehen zwar vor einer großen Herausforderung, aber auch wir haben Gestaltungsmöglichkeiten.

Für mich sind vor allen Dingen folgende Aspekte für meine persönliche Work-Life-Balance wichtig: ausreichend Schlaf, eine flexible und zuverlässige Kinderbetreuung und kontinuierliche Entlastung im Alltag. Ersteres klingt für viele ambitionierte Mütter nach Zeitverschwendung. Doch so banal es auch klingt – Schlaf ist, sogar wissenschaftlich bewiesen, die wirkungsvollste Entspannung und Batterie-Wiederaufladung, die es gibt. Gerade die kontinuierliche Entlastung im Alltag empfinde ich als äußerst wichtig und ich binde zum Beispiel meinen Mann mit kleinen Tätigkeiten in die Kinderpflege und -erziehung ein. Morgens Windeln wechseln, einen Spaziergang am Wochenende bei dem ich zu Hause entspannen kann usw. Kleine Dinge reichen, wenn sie kontinuierlich geschehen.

Manche Rahmenbedingungen lassen sich allerdings nicht ändern. In diesem Fall ist es wichtig, flexibel auf belastende Situationen reagieren zu können. Ich habe mir zum Beispiel für den Stressnotfall einen Stresspinguin angeschafft. Wenn mein Sohn vor lauter Zahnschmerzen nicht mehr aufhören kann zu weinen, ich alles Erdenkliche ausprobiert habe, mit meinen Nerven am Ende bin und niemand da ist, um mich zu unterstützen, dann schnappe ich mir den Pinguin und werfe ihn an die Wand. Damit der Pinguin möglichst selten fliegen muss, sind kleine Pausen im Alltag unumgänglich. Auch hier gilt: Es muss nicht viel sein, aber kontinuierlich. Da ich mich, ein Mal im Arbeitsfluss, nicht so einfach von der Arbeit losreissen kann, benutze ich seit einiger Zeit eine Software die mir hilft, regelmäßige Pausen einzulegen. Ich versuche täglich zwei Mal frisch zu kochen. Ein Mal pro Woche gehe ich zum Sport und gönne ich mir eine Massage. Das sind meine kleinen, aber wirkungsvollen Helferlein.

 

4. Als Coach helfen Sie Menschen dabei, ein bestehendes Problem zu lösen oder ein Ziel zu erreichen. Welche Ansprüche und Ziele sollte man sich als berufstätige Mutter durchaus setzen und welche sind aus Ihrer Erfahrung völliger Mumpitz?

In den USA ist die Suche nach dem Glück im Grundgesetz festgehalten, und auch hier in Deutschland hat jede Frau das Recht, sich im Leben zu verwirklichen. Trotz – oder gerade wegen der Kinder! Eine glückliche Mama ist schließlich das beste Vorbild. Wie die Verwirklichung aussieht, kann sehr unterschiedlich ausfallen. Manche Frauen wünschen sich neben einer Familie auch eine berufliche Karriere und diese Frauen sollten sich nicht etwa von alt hergebrachten Meinungen mancher Mitmenschen irritieren lassen. Eine Mutter darf auch berufstätig sein, wenn sie es möchte.
Es erscheint mir seltsam zu glauben, dass Frauen naturgemäß nur für die „Aufzucht von Kindern“ zuständig sind. Meine Oma z.B. hat neben der Kindeserziehung einen Gemüsegarten gepflegt, der die Familie das ganze Jahr über ernährt hat. Darüber hinaus hat sie den gesamten Haushalt geschmissen, Kaninchen, Schweine und Hühner gezüchtet, Trauben geerntet usw.. Ich will darauf hinaus, dass Mütter „früher“ neben der Kinderbetreuung meist Vollzeit gearbeitet haben – wenn auch nicht in einem Unternehmen. Dass Frauen ausschließlich für die Erziehung der Kinder zuständig sein sollen, ist aus meiner Sicht ein eher neues Phänomen. Deshalb ermutige ich Mütter, sich auch berufliche Ziele zu „genehmigen“.

Alles alleine schaffen und perfekt machen zu müssen, das ist dagegen aus meiner Sicht völlig überzogen und der sichere Weg in ein stressreiches Leben. Wir Mütter geben uns die größte Mühe und auch wenn wir Fehler machen, die Absicht dahinter ist doch in der Regel eine gute. Damit sollten wir uns abfinden. Mein Mutterdasein empfinde ich als große Herausforderung und in manchen Situation bin ich auch überfordert. Das so zu sehen, es so zu benennen und mit meinem Mann darüber zu sprechen, das hat mich viel Kraft gekostet. Mittlerweile bin ich an einem Punkt angekommen, wo ich diese „Imperfektionen“ in mein Selbstbild integriert habe.

Der Glaube ist weit verbreitet, dass Kinder ausschließlich positive Lebensereignisse sind, vor allem heutzutage, da wir unsere Familie planen können. Manche Frauen haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie ab und an auch negative Gefühle ihren Kindern gegenüber haben. Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille und so bewirken auch Kinder nun einmal nicht nur ausschließlich positive Gefühle, sondern sind mit manchen negativen Emotionen verbunden. Wunschkinder hin oder her. Das zu akzeptieren und sich nicht dafür zu verurteilen finde ich essenziell wichtig für eine gesunde Psychohygiene und ein erfüllendes Leben. Mehr Akzeptanz, weniger Verurteilen heißt die Devise.

 

5. Wo wird gerade bei Ratschlägen sind: Welchen Geheimtipp haben Sie als Gesundheitspsychologin für Mütter, die das Gefühl haben, Kinder, Küche und Karriere irgendwie nicht mehr unter einen Hut zu bekommen?

Unter den Hut einer Mutter passen manchmal nicht so viele Rollen, wie wir dankbar angenommen haben, das weiß ich nur zu gut. Tritt dieses Gefühl wiederholt auf, ist offensichtlich, dass sich irgendetwas ändern muss. Aber was? Eine berufstätige Mutter läuft stresstechnisch oft schon am Limit, daran ist nicht viel zu rütteln und sich noch eine Rolle drauf zu packen ist deshalb keine gute Idee. Ist der Hut dauerhaft zu klein, hilft es, sich seine Prioritäten vor Augen zu führen. Was ist mir wirklich wichtig? Was ist dringlich? Was kann ich eventuell nach hinten verschieben? Was kann ich zumindest zeitweise ganz abgeben? Darüber mit einer Vertrauensperson zu diskutieren ist hilfreich. Als ich dachte, nicht mehr alles schaffen zu können, hat es mir geholfen, mir das „Worst-Case“-Szenario vorzustellen. Im schlimmsten Fall, so dachte ich, kann ich meine Workshops nicht halten, kann keine Emails mehr beantworten, keine Newsletter mehr redigieren, etc.

Wenn es tatsächlich zu diesem Fall käme, wäre ich vorbereitet – und ansonsten freute ich mich über jede kleine Aufgabe, die ich dann doch erledigen konnte. Schwäche zu zeigen ist eine große Stärke, denn es kostet viel Überwindung. Wir gestehen uns nicht gerne Schwächen ein. Aber darin liegt auch die enorme Kraft. Das wäre mein „Geheimtipp“ Nr. 2: den Stolz beiseite packen und unbedingt Unterstützung und Hilfe einholen! Am besten, noch bevor es zu spät ist. Meine Entscheidung, den Haushalt in professionelle Hände zu legen, habe ich bislang nicht bereut und es war auch gar nicht so teuer, wie ich zunächst befürchtet habe.

Und zu guter Letzt: Wo kann man Sie im Netz überall finden, wenn man mehr von Ihnen lesen möchte und gibt es etwas, das Sie unbedingt noch loswerden möchten?

Ich bin mit Cape Balance bei Facebook und Xing, ausserdem arbeite ich noch an einem Video-Blog, in dem ich in Zukunft kostenlose Videos mit psychologischen Tipps und Coaching-Übungen posten werde. Davon können auch berufstätige Mütter profitieren. Wenn es so weit ist, wird es in meinem Newsletter bekannt gegeben. Man erreicht mich ausserdem unter www.cape-balance.com. Ich freue mich auf Feedback und Anregungen und beantworte gerne Ihre Fragen.

 

5 Fragen an... Jessica Peterka-Bonetta von www.cape-balance.com

 

Liebe Jessica, haben Sie vielen Dank für die ausführlichen Antworten und die Tipps. 

 

Inhaberin von NetWorkingMom.de. Als bekennende Latte-Macchiato-Mama trägt sie nicht nur interessante Netzfundstücke zusammen, sondern plaudert in der Kaffeeküche recht scharfzüngig über die Merkwürdigkeiten, die einem als berufstätige Mutter so begegnen. Mehr Lifestyle und Kinderkram gibt's im Zweitblog www.BerlinFreckles.de

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